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Joachim Schröter

Offenburg

Michael Kaeshammer: Konzert in Offenburg März 2005

Badische Zeitung, 12.03.2005



„Ich denke beim Spielen ans Essen”

LEUTE IN DER STADT:
Michael Kaeshammer kehrt für ein triumphales Konzert im Salmen-Saal in seine alte Heimat zurück
VOM BZ-REDAKTEUR RALF BURGMAIER

OFFENBURG. Es war so ziemlich das brillanteste Konzert, das im Salmen-Saal seit seiner Eröffnung 2002 zu erleben war. Schon als Teenager war Michael Kaeshammer bei Auftritten im Offenburger KiK als Ausnahmetalent am Piano aufgefallen. Vor zehn Jahren ist er dann mit seiner Familie nach Kanada ausgewandert. Jetzt kam er für einen triumphalen Konzertabend mit seinem Trio in blendender Form zurück. Man muss kein Prophet sein, um dem 28-jährigen eine große Karriere vorherzusagen.
Wir treffen Michael Kaeshammer am Morgen danach im Hotel beim Frühstück. Der Applaus des am Donnerstagabend bis auf den letzten Platz ausverkauften Hauses ist verrauscht. Seinen Heimspielerfolg scheint der junge Mann gestern Abend nicht ausgiebig gefeiert zu haben. Fit und ausgeschlafen sitzt Michael Kaeshammer über Müsli und grünem Tee. Heute geht's weiter zum nächsten Gig nach Brüssel.
Wer dem 28-jährigen die Hand schüttelt, macht sich Sorgen, wie er aus diesem Großraum ohne Landkarte wieder herausfinden soll. Die enormen Hände sind Kaeshammers Kapital. Eineinhalb Oktaven kann er vom Daumen bis zum kleinen Finger greifen, vom C bis zum Fis überspannt seine Hand 19 Tasten. Später als er seine E-Mail-Adresse niederschreibt, zeigt sich: Michael Kaeshammer ist Linkshänder.

Das erklärt zumindest teilweise, warum er nach einer klassischen Klavierausbildung an der Offenburger Musikschule mit 13 Jahren beim Boogie Woogie gelandet ist.
Bei diesem Klavierstil mit seinen maschinenartig wiederholten, pulsierenden, treibenden Bassfiguren ist die linke Hand des Pianisten besonders gefordert. Kaeshammer beherrschte diesen Stil schon mit 17 perfekt. Doch was dieser früh vollendete Musiker in den seither vergangenen 11 Jahren auf dieser Grundlage entwickelt hat, versetzte das Salmen-Publikum am Donnerstagabend in ungläubiges Staunen.
Der Boogie Woogie ist zwar jederzeit als der treibende Herzschlag in Kaeshammers Spiel spürbar. Was er aber damit anstellt, wie er ihn verfremdet, rhythmisch wie harmonisch dreht und wendet, wie er die Regeln ständig dehnt und überschreitet, das ist unerhört und neu, aber nichts für Puristen. Mit einer Leichtigkeit, die schon etwas Provozierendes an sich hat, integriert der junge Überflieger sämtliche Pianostile, die ihm sonst noch am Herzen liegen. So schafft er eine neue, trotz aller Brüche, sehr organische Musik. Da gibt es brillante Reminiszenzen an Ragtime, New Orleans oder Fats Wallers Harlem-Straight-Piano-Stil. Eine ganz tiefe Verneigung vor seinem kanadischen Landsmann und Jazzpiano-Idol Oscar Peterson klingt ebenfalls immer wieder durch.


Michael Kaeshammers eigene Handschrift besteht in der virtuosen und stets überraschenden Kombination dieser Stilgegensätze, aber auch - und darin liegt vermutlich sein europäisches Erbe - in der Leichtigkeit, mit der er sogar Avantgardeelemente integriert.
Man schaut auf die fliegenden Finger und in sein entspannt lächelndes Gesicht und versteht nicht, wie das zusammenpasst. "Das Gehirn ist auf der Bühne ein Gegner" ,sagt er. "Ich denke beim Spielen ans Essen oder an die Reise des nächsten Tags oder daran, was ich vor dem nächsten Stück sage. Musik muss vom Herzen kommen", verrät Michael Kaeshammer sein Geheimnis. Seit ungefähr drei Jahren habe er diesen glücklichen Zustand beim Spielen erreicht.
Seine Zuhörer lassen sich von ihm gerne ins Unbekannte führen, weil Kaeshammer sie immer wieder

bei ihren Hörgewohnheiten abholt und seine Ausflüge ins Abenteuer stets gut begründet.
Dieser sehr urbane Stil hat vermutlich viel mit seiner Wahlheimat Toronto zu tun. Michael Kaeshammers liebt diese Stadt, wie er sagt, wegen ihrer Dynamik und ihrer Fähigkeit die kulturelle Vielfalt ihrer Bewohner besser zu integrieren als das in US-amerikanischen Städten gelingt. Kaeshammer ist gerne Kanadier. Er hätte zwar auch gerne seinen deutschen Pass behalten. Aber weil die doppelte Staatsbürgerschaft hierzulande politisch nicht gewollt ist, ging das nicht.
Um in Kanada dauerhaft leben und arbeiten zu können musste er eine Prüfung ablegen, kanadisches Geschichtswissen beweisen, auf die Verfassung schwören und auch noch die kanadische Nationalhymne singen. Apropos Singen, das kann dieses multiple Talent auch noch sehr gut, wie er im Salmen bewies.

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